Rundung oder auch Kleinvieh macht Mist


Die Generalanwältin beim EuGH Sharpston kommt in ihren Schlussanträgen vom 24.1.2008, Rs 484/06 Koninklijke Ahold hinsichtlich der Frage, ob es Einzelhändlern gestattet ist, Mehrwertsteuerbeträge abzurunden zu folgendem Ergebnis:

"1. Die Rundung von Mehrwertsteuerbeträgen ist in den gemeinschaftlichen Mehrwertsteuerrichtlinien nicht im Einzelnen geregelt. Eine solche Regelung ist daher Sache des nationalen Rechts, das dabei aber alle sich aus den Richtlinien ergebenden einschlägigen Vorschriften und Grundsätze beachten muss.
2. Nach diesen Vorschriften und Grundsätzen ist es Einzelhändlern zur Ermittlung der in ihren periodischen Steuererklärungen anzumeldenden Mehrwertsteuer auf ihre Lieferungen nicht gestattet, den Mehrwertsteuerbetrag abzurunden, der im Bruttopreis jedes einzelnen verkauften Gegenstands enthalten ist."

Zur Vorgeschichte:

"18. Koninklijke Ahold NV (im Folgenden: Ahold) betreibt Supermärkte in den Niederlanden. Als Einzelhändlerin ist sie verpflichtet, die Preise für die von ihr zum Verkauf angebotenen Artikel inklusive Mehrwertsteuer anzugeben.

19. Im Oktober 2003 berechnete und meldete Ahold die Mehrwertsteuer auf die Verkäufe in allen ihren Supermärkten, indem sie von dem Gesamtbetrag per Kassenbon oder „Warenkorb“ ausging. Sie unterteilte den auf den einzelnen Kassenbons inklusive Mehrwertsteuer angegebenen Gesamtbetrag in drei Zwischensummen, und zwar a) für Gegenstände, für die der Normalsatz galt, b) für Gegenstände, für die der ermäßigte Satz galt, und c) für Gegenstände, für die Ahold keine Mehrwertsteuer abzuführen brauchte, weil diese aufgrund einer Sonderregelung im Voraus entrichtet worden war. Ahold multiplizierte die ersten beiden Zwischensummen mit 19/119 bzw. 6/106, um auf diese Weise die im Preis enthaltene Mehrwertsteuer zu ermitteln(21). Jeder dieser Beträge wurde dann mathematisch (nach oben oder unten) auf volle Cent gerundet. Die so errechneten Summen wurden als Mehrwertsteuer auf die verkauften Gegenstände gemeldet und zur Berechnung der per saldo (d. h. nach dem Vorsteuerabzug) geschuldeten Umsatzsteuer verwendet.

20. In zwei Supermärkten führte Ahold jedoch darüber hinaus zu betriebsinternen Zwecken noch eine weitere, abweichende Berechnung durch, bei der sie davon ausging, dass a) der Mehrwertsteuerbetrag nicht pro Kassenbon, sondern jeweils für jeden einzelnen verkauften Gegenstand ermittelt werden müsse und b) eine gegebenenfalls erforderliche Rundung stets nach unten auf volle Cent vorzunehmen sei. Nach dieser Berechnung kam Ahold zu dem Ergebnis, dass sie für die beiden Filialen und den streitigen Zeitraum 1 414 Euro weniger schulde, als sie angemeldet und entrichtet hatte.

21. Gegen den Bescheid, mit dem die Erstattung dieses Betrags abgelehnt wurde, strengte Ahold ein Verfahren an, das mittlerweile beim Hoge Raad anhängig ist. Ahold macht geltend, eine Methode, die dazu führe, dass der geschuldete Steuerbetrag um einen noch so geringen Betrag höher sei als der Betrag, der sich bei strikter Anwendung des geltenden Mehrwertsteuersatzes ergebe, verstoße gegen das Gemeinschaftsrecht."

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