Kapitalertragsteuergutschrift an den Erwerber zum Zeitpunkt der Anschaffung der Nullkuponanleihe rechtlich nicht gedeckt


In einem kürzlich veröffentlichten Erkenntnis vom 19.12.2007, 2005/13/0075, befasst sich der VwGH mit der Stückzinsenberechnung und der auf "Verwaltungspraxis und Lehre" gestützte Ansicht, dass der Erwerber eines Forderungswertpapiers wegen der im Kaufpreis enthaltenen Kapitalerträge eine Kapitalertragsteuergutschrift zu erhalten habe. Rechtlich wird diese Meinung auf § 95 Abs. 6 EStG 1988 gestützt und dafür die Konstruktion des "vorweg rückgängig gemachten" Kapitalertrages herangezogen.

"Der - auch sprachlich unklare - Begriff eines "vorweg rückgängig gemachten" Kapitalertrages findet sich in § 95 Abs. 6 EStG 1988 nicht. Aus der Sicht des Erwerbers handelt es sich bei dem von ihm anlässlich des Erwerbs mit dem Kaufpreis abgegoltenen anteiligen Kapitalertrag des Veräußerers auch - von vornherein - um keinen Kapitalertrag, der rückgängig gemacht werden könnte. Der bis zum Veräußerungszeitpunkt angefallene Kapitalertrag ist nämlich als Entgelt für die zeitanteilige Nutzungsüberlassung dem Veräußerer zuzurechnen, der bei diesem - außerhalb des Ersatztatbestandes (Surrogatbesteuerung) für Zwecke der Einbehaltung der Kapitalertragsteuer nach § 95 Abs. 4 Z 3 EStG 1988 - erst im Zeitpunkt des Zufließens im Sinne des § 19 EStG 1988 an den Erwerber (als Kapitalertrag des Veräußerers) zu erfassen wäre (vgl. z.B. Zorn, Aktuelle einkommensteuerliche Probleme im Bereich der Kapitalveranlagungen, ÖStZ 2003/245, S. 166). Der vom Erwerber (am Ende der Laufzeit) vereinnahmte (volle) Betrag an "Zinsen" ist demgemäß in einen Teil steuerneutraler Forderungseinziehung (Betrag der bei Erwerb an den Veräußerer bezahlten Stückzinsen) und in einen weiteren Teil steuerpflichtiger Einkünfte aus Kapitalvermögen des Erwerbers (Zinsertrag ab dem Erwerbszeitpunkt) aufzuteilen (vgl. Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, Tz 24 zu § 27, sowie Kirchmayr, Schuldverschreibungen - Grundsatzfragen der Abgrenzung von Zinsen und Stammrecht, in FS Doralt, aaO, S. 188). Ein am Ende der Laufzeit der Nullkuponanleihe gegebenenfalls von einer kuponauszahlenden Stelle vom gesamten Unterschiedsbetrag nach § 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 vorgenommener Kapitalertragsteuerabzug wäre im Teilbetrag der steuerneutralen (und ohnedies bereits nach § 95 Abs. 4 Z 3 EStG 1988 mit auf Rechnung des Veräußerers einbehaltenen Kapitalertragsteuer belasteten) Forderungseinziehung damit objektiv zu Unrecht erfolgt, sodass die darauf entfallende Kapitalertragsteuer zurückgefordert werden könnte (vgl. § 240 Abs. 3 BAO). Zur Vermeidung einer "Überbesteuerung" ist damit die Heranziehung der Konstruktion eines "vorweg rückgängig gemachten Kapitalertrages" (vgl. dazu z.B. Quantschnigg/Schuch, aaO, Tz 9.2 zu § 95) nicht erforderlich und es ist auch sonst nicht erkennbar, auf welche rechtliche Basis die in Rede stehende Kapitalertragsteuergutschrift gestützt werden könnte."

Nach dem Erkenntnis ist das gesamte System der KESt-Gutschriften (Rz 7759 EStR) in Frage gestellt, falls der Gesetzgeber nicht reagiert.

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